Erinnerungen aus der Kindheit
Ein "Alter": Typ FM1 - die
1600er Serie
Alten und die Anderen...
Als ich noch Kind war - Ende der 70ern, Anfang der 80ern - gab es noch einen ordentlichen Typenvielfalt in Budapest. Ich habe damals aber nur zwei sehr verschiedenen Sorten idenfiziert: es gab die "Alten" und die "Anderen". Die "Alten" waren alles, was wirklich alt ausgesehen hat: zweiachsige Trieb- und Beiwagen allerlei Baureihen. Sie sahen ziemlich gleichmässig aus: später habe ich ausgefunden, dass das deshalb so war, weil man die Karossieren der Mehrheit der Typen in den 50ern und 60ern vereinheitlicht hat.
Holzbauwagen waren damals schon selten zu sehen, zumindest auf den Linien, mit denen wir gefahren sind. Ich denke ich kann mich auf ein oder zwei solchen Begegnungen erinnern, aber am meisten sah ich die schöne gelb-weissen "Alten", wie hier auf dem Bild links.
Und die "Anderen"... na ja, da gab's auch Sorten!
Bengáli (Benga, "Hausgemachter", FVV Gelenktriebwagen)
Dieser Typ war eine Kuriosität: ich habe sie nur in Újpest gesehen, aber gefahren bin ich mit ihnen nicht. Dann sind sie plöztlich verschwunden. 1989 oder 1990 habe ich sie in Szeged und Miskolc wiedergesehen. Es war seltsam: damals war ich kein Strassenbahnfanatiker, deshalb war für mich eine Überraschung, dass es diese Trams noch gab.
Später habe ich ausgefunden, dass dieser Typ 1960/61 von der Zentralwerkstatt "Árpád Füzesi" entworfen und gebaut wurde, und die BKV hat sie früher (!) ausgemustert als die Zweiachser aus den 1910ern. Das hatte einen guten Grund: diese "Schüttelrutschen" haben entsätzliche Fahreigenschaften!
Ursprünglich wollte man Anfang der 60ern Gelenkwagen aus Ganz Mitteleinstiegsstrassenbahnen* bauen, aber als man den ersten auseinandergenommen hat, hat man festgestellt, dass sie durchgerostet und unbenutzbar sind. Die Zentralwerkstatt hat darauf neue Gestelle nach Plänen aus 1928 bauen lassen, ohne Modifizierungen, und dann auf diese Gestelle "Zwei-Zimmer-mit-einem-Bad"-Gelenkwagen gebastelt. Das klingt nicht nach eine gute Idee, und es war auch keine: die Einrichtunsgwagen fuhren nur von 1961 bis 1980, die Zweirichtunsgwagen von 1963 bis 1983 in Budapest, dann sind sie schnell ausgemustert worden!
Die "provinzialen" Betriebe waren leider in einer schlechteren Lage, und benutzen diesen Typ bis heute!
*= Der volkstümmliche Irrtum, dass diese Wagen von Traditionsfirma "Ganz" gebaut wurden, kommt wahrscheinlich hiervon, es ist aber nicht so. Die Mitteleinstiegswagen waren zwischen 1928 und 31 wirklich vom Ganz-Werk gebaut, aber Ganz hatte nichts mit diesem Umgetüm auf Rädern zu tun :-)
Meine Eltern nannten alles, was wie ein UV ausgesehen hat, "Stuka". Vater hat mir erzählt, dass dieser Spitzame auf die deutschen Sturtzkampflugzeuge (vor allem aber auf den Typ Junkers Ju-87) zurückgeht, die beim Angriff einen ähnlichen Ton produzierten, wie diese Strassenbahnwagen.
Dann habe ich ausgefunden, dass das nicht ganz so war: die Strassenbahnleute nannten nur die 3600er Serie "Stuka" - die UV's waren die Nachfolger der 3600er.
Der Typ T oder TM - wie der Stuka offiziell hiess - wurde 1939 vom Ganz entwickelt. Damals waren die meisten Strassenbahnwagen in Budapest (und Europa) zweiachsig, hatten Druckluftbremse, hohen, halboffenen Einstiegsplatforme mit abklappbaren Gitter. Der 3600er war aber ein schneller und mit relativ niedriger Bodenhöhe gebauter Grossraumwagen mit Drehgestellen und (elektrischen) Schiebetüren. Das war ein Qualititätssprung, der auch im Ausland gelobt wurde.
1943 ging die Serie aus, wahrscheinlich auch wegen des zweiten Weltkriegs, aber das war noch nicht das Aus für die Wagen! 1947 probierte man den Fahrgastfluss (statt Pendelschaffner) und Pressholzsitze, und im Jahre 1948 hat Ganz und BSzKRt eine Vielfachsteuerung für den Versuchstraktion 3700+3800+3701 entworfen. Obwohl das Versuch damals noch nicht perfekt klappte, war das die Basis der Entwicklung des UV.
Ende der 70ern konnte man in Óbuda noch die letzten Stukas im Verkehr sehen, und ich bin ein Paar Mal mit ihnen gefahren, deshalb war ich an den rampa-artigen Übergang vom Einstiegsplatform zum Inneren gewöhnt. Dann bin ich plötzlich mit einem UV gefahren, und bin dort gestürzt. Der UV hat nämlich eine Stufe anstelle der Rampe - ich habe nicht erkannt, dass dieser ein anderer Typ ist, und bin über die Stufe, die "nicht da sein sollte", gestolpert. Das war meine erste Begegnung mit dem Nachfolgertyp :-)
Die letzte Stukas sind 1980 ausgemustert worden. Im Museum kann man diesen Typ leider noch nicht sehen; die Wagen 3612 und 7650 warten auf die Renovierung - wahrscheinlich kann man aus den zwei Wrecks einen Wagen zusammenbauen.
UV (Serie 3200, 3300, 3400, 3800)
Der UV ("Paradewagen der Budapester Strassenbahn", wie jemand ihn beschrieb) war also der Nachfolgertyp des Stuka. 1950 wollte die FVV - der damalige Strassenbahnbetrieb Budapests - einen stärkeren und grösseren Wagen haben, aber die Hersteller hatten keine freien Kapazität. Man hat dann auf eine stärkere Variante der 3600er gedacht. Das MVG-Werk in Gyõr wurde ersucht, diesen Typ zu entwickeln, aber sie hatten Probleme, und die Entwicklung wurde an das Ganz-werk weitergeleitet. Zusammen mit den Fachleuten der Ungarischen Akademie für Wissenschaften haben sie die alten Pläne umgestaltet. Neue Drehgestelle, Vielfachsteuerung, und der Typ sollte auch billig, aber robust sein. Und ich muss sagen, es klappte mit letzterem sehr gut!
1956 war der Typ "UV" fertig. Es gibt eine Theorie, dass der Name "UV" für "Új Villamos" ("Neue Strassenbahn") oder "Univerzális Villamos" (Universale Strassenbahn") steht, aber das ist nicht wahr. Der Stuka hiess "T", der Stuka mit Vielfachsteuerung hiess "TV" - und nach "T" kommt "U" im Alphabet.
Die Karosserie war dem Stuka sehr ähnlich: die Seitendeckplatten haben nun aber Ausschnitte um den Aussenrahmendrehgestelle bekommen. Der Ton der stärkeren Motoren ist auch ähnlich: hört für euch selbst! Das charakteristische Klicken der Schützensteuerung ist auf dieser Aufnahme (gemacht von Ákos Baracsy) auch gut erkennbar.
3. April 1956 fuhr der erste UV auf Linie 2, und seitdem ist dieser Strassenbahntyp Teil des Stadtbildes geworden. Bis 1965 hat man 375 Exemplare gebaut, und etwa 100 sind davon 2005 noch immer im Verkehr. Leider sind diese Wagen während der 70ern vernachlässigt worden (z.B. fuhren sie im Planverkehr mit nur zwei Motoren statt vier), sie haben immer noch einen gewissen Zauber, wenn sie als Nostalgiawagen fahren!
UV Beiwagen (Serie 5800, 5900, 6000)
Unterschiede auch hier: grössere
Seitenfenster und kleinere Seitenfenster...
Also, dass wir diese Wagen als "UV Beiwagen" bezeichnen, ist auch nicht völlig korrekt: die antriebslose zweiachsige Fahrzeuge, die mitten der UV-Züge benutzt wurden, sind in mehreren Serien (R5, EP, FP) zwischen 1939 und 1954 gebaut worden, also mehrer Jahren vor dem UV.
Die ersten Wagen der erste Serie waren sehr anders: sie hatten Platformen mit offenen Türen, gepolsterte Sitze in 1+2 Anordnung, gesenkte ("versteckte") Beleuchtung, aber wahrend des Krieges musste man den Typ einfacher gestalten (Holzsitze statt gepolsterte, Glühbirnen im Dach). Die 6000er Serie hatte manuelle Schiebetüren, später haben auch die älteren Serien solche bekommen, zuletzt elektropneumatisch gesteuerten. Heute haben die gebliebenen Beiwagen pneumatische Türe, Holzsitze in 1+1 Anordnung, Solenoidbremse, und die Klappfensterschen über den Seitenfenster wurden auch entfernt.
Ich presentiere diese Wagen hier, weil ich sie als Kind für interresant fand. Ich habe gar nicht erkannt, dass sie keine Motore haben! Natürlich fuhren damals noch praktisch gleiche Wagen auch hinter zweiachsige Triebwagen mit Druckluftbremse, aber jene zwischen die "Stukas" waren irgendwie anders. Und sie hüpften so lieb rauf und runter auf schlechtem Gleis - genauer gesagt sie tun das 2005 immer noch auf der Kleinen Ringstrasse...
Ganz CsMG2 Gelenkwagen ("ICs")
Ich kann mich noch erinnern, dass ich diese Wagen aus den Kintergartenjahren kenne: sie fuhren dort in der Nähe auf Linie 61, aber seit 1978 auch auf die Grossen Ringlinien 4 und 6. Natürlich auch auf anderen Linien, aber ich kann mich am besten auf diesen erinnern.
Sie schienen für mich schon immer, die Weiterentwicklung des UV zu sein: anders, aber irgendwie ähnlich. Und sie fuhren schnell: als ich zum ersten Mal auf Linie 2 fuhr, dachte ich, dass diese eine Schnellstrassenbahnlinie sei - die grosse Gelenkwagen rannten auf dem Donauufer wie verrückt. Damals hatten die Wagen noch keinen Fahrtschreiber - manche hatten nicht einmal einen Tachometer!
Ich habe auch ziemlich früh erkannt, dass es zwei Sorten von ihnen gibt: die auf Linie 2 hatten keine Sitze direkt hinter der ersten Türe (1300er Serie), während jene, mit denen ich auf Linie 4/6 gefahren bin, hatten diese Sitze. Heute sind die Wagen untereinander gemischt, aber damals fiel mir der Unterschied sehr auf. Merkwürdig ist, dass wir diese Wagen meistens als "Ganzwagen" bezeichnen, wobei die UV's und zahlreiche andere Typen ebenso vom Ganz gebaut wurden. Ein anderer Name ist "ipari csuklós", was so viel wie "industrieller Gelenkwagen" bedeutet. Das ist eine Anspielung an die Bengális, die vom Strassenbahnbetrieb selbst gebaut wurden. Meiner Meinung nach war Ganz damals nicht mehr das selbe Ganz, wie früher, aber der Name klang immer noch ziemlich gut. Interresanterweise ging die Firma noch zu kommunistischer Zeiten Pleite, obwohl sie dann saniert wurde, um noch einmal Pleite gehen zu können!
Die BKV war allerdings auch nicht zufrieden mit Ganz, deshalb haben sie danach neue Trams vom CKD Tatra im Prag gekauft. Leider konzentrierten die Ganz-Werke damals nur auf den russischen Markt und auf die "grosse Eisenbahn". Hätten sie anders darüber gedacht, gäbe es vielleicht immer noch einen Strassenbahnhersteller namens Ganz :-/
In den 1990ern wurden 30 Ganzwagen von den Nachfolgerfirmen Ganz-Hunslet und Ganz-Ansaldo (vorher Ganz-MÁVAG und Ganz Elektromos Mûvek, Teile des Ganz-Konzerns) modernisiert. Diese haben Chopper und einen schöneren Innenraum bekommen, aber sie haben immer noch die typischen Probleme des Originalmodells. Trotzdem ist dieser Typ ziemlich typisch für Budapest.
Ich habe den Kindergarten und Linie 61 schon erwähnt. Auch diesen Typ habe ich zuerst dort gesehen. Damals (1980) war das wahnsinnig aufregend: wir haben stundenlang die Villányi Strasse beobachtet, damit wir den "neuen Tátra" zu sehen bekommen!
Damals habe ich zwei Dinge interresant gefunden. Das eine war das "Beep" der Türschliesswarnung: "echte" Budapester Strassenbahnen hatten frühe eine Schnurrglocke, und/oder eine rote Lampe. Dagegen war das "Beeeeeep" echt anders! Andererseits waren das ausländische (tschechische) Fahrzeuge, was höchst seltsam war, da Budapest seit den 1890ern nur ungarische Strassenbahntypen kaufte. Damals haben wir natürlich auf die Auferstehung von Ganz gehofft, und dachten nie, dass die Gelenkwagen vielleicht die letzten Fahrzeuge aus ungarischen Herkunft sein könnten!
Insgesamt kaufte die BKV 322 solche Fahrzeuge zwischen 1980 und 84. Achtzig davon wurden 2002/2004 von Ganz-Transelektro modernisiert (T5C5K), zwei zur Schulzug 7680+7681 umgebaut, also zur Zeit (2005) sind sie die grösste im Bestand stehende Strassenbahnserie. Um 2000 wollte man noch antriebslose Niederflurbeiwagen zu dieser Serie bauen lassen, aber dann hat man aus diesem Geld lieber benutzte TW6000 Stadtbahnwagen aus Hannover gekauft. Manchmal spricht man immer noch über diese idee mit den Niederflurbeiwagen, die zwischen zwei Triebwagen fahren sollten, also wer weiss, vielleicht wird irgendwann sowas geben - aber Gift darauf nehmen würde ich nicht :-)
"Muki" werden die Arbeitswagen von Budapest genannt. Diese würfel-formige E-Loks mit Holzbelag wurden 1926/27 von Bergbaufahrzeug-spezialist Roessemann&Kühnemann gebaut, die elektrischen Teile baute die BSzKRt (die damalige Verkehrsgesellschaft von Budapest) selbst ein.
Damals hatte Budapest einen ziemlich starken Frachtverkehr auf Strassenbahnschienen: Güterzüge und interne Transporte auch. Später hat man aus einige Mukis Schneekehren gebaut, die sich manchmal auch heutzutage als unentberlich erweisen. Transporte gibt es nur internen, aber die schon mehrmals pro Woche, also die noch existierenden Mukis sind ab und zu zu sehen.
Für ein Kind waren diese Fahrzeuge klasse, als 2 bis 4 davon Frachtzüge schleppten-schiebten! Und noch etwas, was ich bis zu heutigen Tag an ihnen liebe: sie haben Drucklufthupen. Diese benutzen die Fahrer nicht nur als Warnsignal für Verkehrsteilnehmer, sondern sie kommunizieren miteinander auch durch Hornsignale. Und das ist sehr wichtig, weil diese Loks keine Vielfachsteuerung haben...
Ganz Gelenktriebwagen der MillFAV ("kisföldalatti")
Die "kisföldalatti" - also "die kleine U-Bahn", wie wir die Linie M1, die 1896 eingeweiht wurde, nennen - war zu meiner Kindheit in einem schechteren Zustand also heute, aber sie hatte dennoch Zauber! Die mit Teer getränkten Holzschwellen hatten einen charakteristischen Geruch, den wir als den Duft irgendeines teueren Parfüms empfanden und liebten.
Und auch die vollgelben Wagen, die im Tunnel rannten, waren etwas besonderes. Damals wusste ich natürlich nicht, dass diese Fahrzeuge sehr viel mit dem "Ganzwagen" gemein haben - eigentlich sind sie die Niederflurversion des CsMG2! Der Typ war 1971 auf der Basis des Ganz-GTw entwickelt worden, mit 470 Millimeter Bodenhöhe über SOK. Sie sind deshalb strassentauglich: man muss zwar einen provisorischen Stromabnehmer benutzen, damit sie die normale Fahrdrahthöhe im Strassenbereich erreichen können, aber dann können sie ohne Probleme dort verkehren. Sie sind sogar auf die Strassenbahnlinie 62 zwischen Bosnyák tér und Örs vezér tere geprobt worden, natürlich mit Fahrgaeste!
Leider werden diese recht interresanten Fahrzeuge langsam veraltet, und ein Nachfolgertyp ist noch nicht im Sicht. Ich bin gespannt, wer und was für neue Wagen bauen wird, um sie zu ersetzen.
Das wäre das Ende meiner subjektiven Zeitreise. Ich wollte die typischen Budapester Fahrezeuge vorstellen, damit sie auf den in der Zukunft entstehenden Seiten schon als alte Bekannten anzutreffen werden. Hoffentlich werden sie aber nicht nur alte, sondern auch gern gesehene Bekannten sein :-)